Frankreich: Instandhaltungspflicht des gewerblichen Vermieters
Das französische Kassationsgericht hatte im Juni 2025 die Frage zu entscheiden, ob ein Vermieter von Gewerberäumen in Frankreich seine Verpflichtungen zur Instandhaltung und Gewährleistung einer ungestörten Nutzung auch dann verletzt, wenn die Ursache eines Mangels im gemeinschaftlichen Teileigentum liegt und ob er sich durch aktive Bemühungen beim Verwalter dieser Gemeinschaft von seiner Haftung befreien kann (Cour de cassation, 3e civ., 19. Juni 2025, FS-B, Nr. 23-18.853).
Hintergrund des Falls
Im Zentrum des Falles standen eine Vermieterin und eine gewerbliche Mieterin, deren Geschäftsräume von baulichen Mängeln betroffen waren: Defekte in den abgehängten Decken resultierten aus Problemen im gemeinschaftlichen Eigentum der Immobilie. Die Mieterin forderte eine Beseitigung dieser Störungen sowie Schadenersatz für die Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache.
Rechtliche Überlegungen und Hauptargumente
Zwei zentrale Pflichten waren zu prüfen:
1 Instandhaltungspflicht des Vermieters
Das Gericht betonte, dass der Vermieter verpflichtet ist, die Mietsache im Zustand zu erhalten, der ihren vertragsgemäßen Gebrauch ermöglicht (Artikel 1719 und 1720 Code civil). Diese Pflicht ist eine sogenannte Obligation de résultat, also eine Erfolgspflicht: Der Vermieter schuldet nicht bloß ein Bemühen (wie etwa im Falle einer Sorgfaltspflicht), sondern garantiert tatsächlich das Eintreten des Erfolgs, also die Gebrauchstauglichkeit der Räume, außer es liegt höhere Gewalt vor, die die Erfüllung objektiv unmöglich macht.
2 Garantie der ungestörten Nutzung
Die Pflicht, eine ungestörte Nutzung der Mieträume zu garantieren, endet nach dem Gesetz nur bei Vorliegen höherer Gewalt. Das Gericht stellt klar: Die bloße Tatsache, dass der Mangel seinen Ursprung in den gemeinschaftlichen Flächen hat oder dass der Vermieter sich aktiv um Abhilfe beim Verwalter des gemeinschaftlichen Eigentums bemüht, entbindet ihn nicht von seiner eigentlichen Verpflichtung gegenüber dem Mieter.
- Vollständige Entschädigung des Mieters: Im Falle einer Verletzung dieser Pflichten muss der Mieter vollständig entschädigt werden. Die Schadensersatzpflicht beginnt ab der Information des Vermieters über den Mangel – die Benachrichtigung durch den Mieter ist somit Voraussetzung.
Entscheidung und Begründung des Gerichts
Das Kassationsgericht hob die Entscheidung der Vorinstanz auf, die die Haftung der Vermieterin an eine schuldhafte Handlung geknüpft hatte. Das Gericht stellte ausdrücklich klar, dass die Pflichten des Vermieters – Instandhaltung und ungestörte Nutzung – Erfolgspflichten sind: Eine Haftung besteht auch ohne Verschulden, solange keine höhere Gewalt („force majeure“) vorliegt. Der Vermieter musste entweder selbst die nötigen Arbeiten vornehmen oder der Mieterin die Mittel zu deren Ausführung bereitstellen.
Auch die Tatsache, dass die Vermieterin sich an die Wohnungseigentümergemeinschaft gewandt hatte, um die Mängel abzustellen, reichte nicht, um ihre Haftung auszuschließen. Die Mieterin wurde für sämtliche Nachteile, die aus der eingeschränkten Nutzung entstanden, vollständig entschädigt.
Zusätzlich behandelte das Gericht eine mietvertragliche Indexierungsklausel, die ausschließlich Mieterhöhungen vorsah. Hier stellte die Cour de cassation fest, dass eine solche Klausel unzulässig ist. Nicht die gesamte Klausel, sondern nur die verbotene Teilregelung („nur Erhöhung der Miete“) ist als nichtig zu betrachten; der übrige Teil bleibt erhalten.
Das Urteil bekräftigt, dass französische Vermieter von Gewerberäumen sehr strengen Pflichten unterliegen, insbesondere der Pflicht zur Instandhaltung und zur Sicherung der ungestörten Nutzung. Diese Pflichten sind Erfolgspflichten: Der Vermieter muss den vertraglichen Zustand und die Nutzbarkeit der Räume sicherstellen, unabhängig davon, ob die Ursache der Störung außerhalb seines direkten Herrschaftsbereichs liegt. Nur bei höherer Gewalt entfällt die Haftung. Darüber hinaus gelten Mietanpassungsklauseln, die ausschließlich zu Lasten des Mieters wirken, als teilweise nichtig.
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07.07.2025